PEOPLES ★ SHERLOCK HOLMES JAGT MR. X (HAPPY COMPUTER) ★

Sherlock Holmes jagt Mr. X (Happy Computer)
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Die Geschichte der Kunst ist auch eine Geschichte der Fälscher: Ob Rembrandt, van Gogh oder Dürer, von allen großen Malern sind Fälschungen im Umlauf, Kein Wunder also, wenn die Fälscher auch bei der »Mona Lisa des kleinen Mannes«, der Briefmarke, aktiv sind. Schließlich können diese kleinen Papierstücke Tausende, ja Zehntausende von Mark kosten. Günter Künstler hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, diesen Betrügern das Handwerk zu legen. Mit Fachwissen, Fleiß und detektivischem Spürsinn. Und seinem Heimcomputer.

Hier sehen Sie selbst«. Der lange Zeigefinger deutet siegessicher auf eine Tabellenspalte in dem dicken gelben Buch, das vor mir auf dem graumelierten Marmortisch liegt. »Hier sehen Sie selbst:« Ich lese: »BRD, 90 Pfennig aus Posthomsatz, gestempelt 2.50 Mark, postfrisch 1200 Mark«. In diesem Moment wird mir klar, daß ich den Beruf verfehlt habe. Ich hätte Briefmarkenfälscher werden sollen. Günter Künstler hat mir nämlich kurz zuvor gezeigt, wie man mit weniger als einer Stunde Arbeit 1195 Mark verdient: Zuerst, so erklärt er mir, braucht man zwei gestempelte Briefmarken im Wert von jeweils 2.50 Mark. Die eine muß eine komplett ungestempelte linke, die andere eine komplett ungestempelte rechte Hälfte besitzen. Schritt 2: Beide Marken werden vorsichtig in der Mitte auseinandergeschnitten, die beiden ungestempelten Hälften zusammengesetzt und auf der Rückseite eine neue Gummierung angebracht: Fertig ist eine neue, ungestempelte Briefmarke im Wert von 1200 Mark. Während ich noch ungläubig in den Briefmarkenkatalog starre (»der Michel-Katalog ist die Bibel der Sammler, Mit dem gehen sie am liebsten sogar ins Bett«) und über die wundersame Wertsteigerung des kleinen gelben Papierstücks nachdenke, schüttelt Günter Künstler langsam den Kopf und läßt sein koboldhaftes Lachen hören: »Briefmarkensammler sind eigentlich komische Menschen, Da kann man sich den Mund fußlig reden, aber sie fallen immer und immer wieder auf Fälschungen herein.«

Günter Künstier ist einer von rund 2,5 Millionen Briefmarkensammlern und bekämpft die »philatelistische Unterwelt« seit 25 Jahren mit Leib und Seele, »davon seit 15 Jahren in der Öffentlichkeit«. Öffentlichkeit, das ist vor allem der »Bund deutscher Philatelisten e.V.«, in dem 120000 Sammler organisiert sind.

»Man kann ja niemandem verbieten, Fälschungen auf seinem
Verkaufstisch bei einem Großtauschtag liegen zu haben« >>

»Die erste Fälschung: Das war ein Schock«.

Durch die Fälscher entsteht jedes Jahr ein Schaden in Millionenhöhe, »vor allem bei den unorganisierten Sammlern, denn da ist der Informationsstand niedriger«.

»Binnen zehn Minuten packt der Onfcel dann seine Koffer tind verschwindet«

Künstlers Schlüsselerlebnis liegt 25 Jahre zurück. Damals hatte er auf einer Briefmarkenveranstaltung von einem fliegenden Händler eine teure Marke für seine Altdeutschland-Sammlung gekauft. Der stattliche Preis, so erinnert er sich, lag damals bei etwa 700 Mark. »Und das war damals verflucht viel Geld.« Doch die Freude über das schon lange gesuchte Stück währte nur kurz: Als er die Briefmarke im Wasserbad reinigen wollte, zerfiel sie augenblicklich in ihre Einzelteile. Das Papierstück auf der Rückseite der Marke hatte die Teile zusammengehalten und eine neue Marke vorge gaukelt. »Dat war'n Schock, als ich die drei Teile im Wasser habe schwimmen sehen, dat können sie mir glauben* erzählt er in breitestem Aachener Platt. Der Händler hatte ihm ein zusammengeflicktes Stück zum Preis einer neuwertigen Marke angedreht Ausgehend von der Überzeugung, daß das Erkennen von Fälschungen und Verfälschungen mit der Kenntnis der Arbeitsweise der Fälscher anfängt, beginnt Günter Künstler m den folgenden Jahren Techniken und Methoden intensiv zu studieren, am Anfang im Bereich der Malerei, denn die Praktiken zur Restauration und Fälschung von Briefmarken sind noch unbekannt. Außer bei den Fälschern selbst, Im Aachener Museum lernt er seine ersten Tricks: »Ich habe einfach das, was mir die Bilder-Restauratoren erzählt haben, versucht, auf meine kleinen Marken umzusetzen,« Später kam er dann auf die Idee, Anzeigen in den einschlägigen Fachzeitschriften aufzugeben. »Und als die dann meine Anzeige »Kaufe Fälschungen« gelesen haben, haben sie gedacht, jetzt haben sie 'nen Jeck gefunden. Da habe ich schnell 'ne neue Anzeige aufgegeben, wo ich druntergeschrieben habe; 'Zahle 10 Prozent von dem, was an der Marke noch echt ist'. Und damit die Sammler wenigstens irgendwas kriegen, habe ich druntergeschrieben: 'zahle aber mindestens 10 Pfennig' «. Über dreihundert Zuschriften bekam Günter Künstler gleich auf seine erste Anzeige. Viele Marken, für die Sammler Hunderte oder Tausende Mark bezahlt haben, landeten so bei ihm. Heute besitzt Günter Künstler über 20000 Fälschungen, seine Bibliothek füllt ein ganzes Wandregal. Aber noch andere Kontakte kamen über die Anzeigen zustande: Fälscher hielten ihn für einen der ihren und traten an ihn heran. So erfuhr er viel Wissenswertes über die neuesten Fälschungstechniken, Diese Informationsquellen versiegten natürlich sofort, als er 1979 mit einer Ausstellung über Fälschungen an die Öffentlichkeit trat. Er ist nicht unglücklich darüber: »Ich bin froh, daß diese Kontakte vorbei sind. Da hat sich was abgespielt, da hab ich schon mal um meine Knochen fürchten müssen.«

»...wenn das der liebe Sammler nicht weiß, ist er fünfhundert Mark los...«

Am Anfang seiner Öffentlichkeitsarbeit standen Diavorträge, Stände Ausstellungen und Referate auf den großen Briefmarkenmessen. »Gerade auf Bnefmarkenmessen oder auf Großtauschtagen treiben sich ja die meisten Fälscher herum. In der Hoffnung, hier einen ahnungslosen Sammler aufzutreiben, der gutes Geld für schlechte Marken zählt.• Rin verbreiteter Trick sei der des gestorbenen Großonkels. Der Fälscher präpariert dazu einige Briefmarkenalben mit teuren Fälschungen. Der Wert der echten Marken beläuft sich dann auf wenige hundert Mark. Wären die gefälschten Marken, die er unter die billigen echten gemischt hat, Tatsächlich echt, hätten die Alben einen Wert von mehreren zehntausend Mark. »Jeder Sammler will natürlich den anderen übers Ohr hauen« erzählt Günter Künstler augenzwinkernd. Ein ahnungsloser Sammler kommt an den Stand des Fälschers und blättert dessen Alben durch. Er entdeckt natürlich die — vermeintlichen — Kostbarkeiten und fragt nach dem Preis. Der Fälscher erzählt etwas von einer Erbschaft seines Großonkels Otto und will 3000 Mark für alle Alben, läßt sich aber von dem gierigen Sammler bereitwillig auf 1500 Mark herunterhandeln. Der merkt natürlich erst viel zu spät zu Hause, daß die Kostbarkeiten wertlose Fälschungen sind.

<< »Aber wenn ich sowas sehe, dann stelle ich mich davor
und beginne einen Vortrag darüber zu halten,
warum die Marke falsch ist«

»Wenn ich so jemanden auf einem Großtauschtag sehe, dann stelle ich mich mit einem Freund an den Stand und erzähle so laut ich kann: 'Schau mal, das hier ist eine Fälschung und die Marke ist falsch.' Im Nu bin ich von zwanzig bis dreißig Leuten umringt und binnen zehn Minuten packt der Onkel die Alben m seine Koffer und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Bis zum nächsten Großtausch tag.« Schon bald war Günter Künstler ein mit Ehrungen überhäufter, viel verlangter Mann, auf dessen Wort viele Sammler blind vertrauen: »Da kommt einer auf einer Messe zu mir, fragt mich nach meiner Meinung zu einer Marke« erzählt er entrüstet, »Und eine halbe Stunde spater bekomme ich zu hören, daß er sie für fünfhundert Mark gekauft hat, nur weil ich ihm gesagt habe, daß sie mix echt erscheint. Wenn Du das sagst, dann ist sie in Ordnung' hat er mir gesagt .« Aber die Entrüstung ist nur oberflächlich, an dem Schalk in seinen Augen kann man erkennen, daß er sich m der Holle des vielgefragten Experten doch recht wohl fühlt.

Den Ausstellungen folgten Artikel m den wichtigsten Fachzeitschriften und eigene Bücher zum Thema Briefmarkenfälschung, Seine Serie »Die sieben Tricks des Mr. X« fand sogar fotokopiert den Weg zu den Sammlern.

»Binnen zehn Minuten packt der Onkel dann
seine Koffer tmd verschwindet« >>

Sein technisches Repertoire ist beträchtlich: Fotoausrüstung, Stereo-Mikroskop, Quarzlampe und eine Sofortbüd-Vergrößerungskamera. Zum Computer kam Günter Künsüer eher zufällig: Zusammen mit einem Sammler kollegen stand er vor zwei Jahren auf der Straße, als die Glashütte, in der er zwanzig Jahre gearbeitet hatte, bankrott machte Der Kollege eröffnete einen Computerladen und Günter Künstler hatte die Idee, sein Wissen auf Disketten zu barmen. Der »Sherlock Holmes der Philatelie», wie ihn die Fach-zeitung »sammlerdienst« nennt, lernte Basic und schrieb sein erstes Pro gramm auf dem C 64. «Falsch — Philatelie k heißt es. und mit seiner Hilfe kann jeder Interessierte das gesamte Wissen, das Günter Künstler in 25 Jahren Detektivarbeit zusammengetragen hat, menügesteuert abrufen Ob die »Echtheitsmerkmale deutscher Marken«, ein »Fachwort-Dolmetscher« oder Verwendungszeiten und Portostufen sämtlicher deutscher Briefmarken seit 1872: Alles ist in dem Programm gespeichert und hilft dem Sammler zu erkennen, ob er übers Ohr gehauen werden soll. In den Adaptionen für Schneider CPC, MS-DOS und Alphatronic P2, die inzwischen ebenfalls fertig sind, stecken dazu noch einmal jeweils mehrere hundert Arbeitsstunden.

»Hier sehen Sie selbst«. Der unruhige Zeigefinger deutet auf eine Drei-Groschen-Marke von Sachsen mit der Abstempelnummer 194. »Diese Briefmarke ist in gutem Zustand rund fünfhundert Mark wert. Die gleiche Marke mit der Nummer 94 gibt's bereits für fünf Mark.« Günter Künstler tippt auf seinem Schneider im Hauptmenü die »2« ein, ein Untermenü »Echtheitsmerkmale deutscher Marken« taucht auf. Wir wählen »Altdeutsche Staaten M — W« und dort »Sachsen«. Nun ist auf dem Bildschirm zu lesen, worauf zu achten ist. Und, daß die Stempelung »194« zu »den bekanntesten Falschstempeln« gehört. In der Tat: Ein Blick durch das Mikroskop, das zu Günter Künstlers Arbeitsgeräten gehört, beweist die Fälschung. Die »1« ui der »194« ist an den Rand gequetscht und zwischen »3« und »9« ist ein kleinerer Abstand als zwischen »9« und »4«. »Ganz eindeutig eine Fälschung« skandiert Günter Künstler begeistert und fügt dann mit ernster Miene hinzu: »wenn das der liebe Sammler nicht weiß, ist er fünfhundert Mark los«.


Mit Computer und Mikroskop enthüllt: Diese wertvollo
3-Groscheen-Marke ans Sachsen ist leider eine Fälschung


Die Kraterberge an den Rindern der Briefmarkenlöcher
beweisen, daß hier ein Fälscher am Werk war

Der 20-Milliarden-Falscher

Er zeigt mir den Brief der »Direction der Discont Gesellschaft« an einen Regierungsrat M, Kubscher in Hannover aus dem Jahr 1923 Eine 20-Milliarden- und eine 5-Milliarden-Briefmarke sind draufgeklebt. Danach wird wieder der Computer konsultiert ln dem Menüpunkt 3 (»die wichtigsten Portostufen«) wird das Porto zur Zeit des Poststempels abgefragt. Am 15. November 1923 kostete ein Brief 5 Milliarden Reichsmark. Also ein hoffnungslos über-frankierter Brief? Menüpunkt 6 bringt endgültige Klarheit in den Verdacht. Die 20-Milliarden-Marke, so eifahren wir da, hatte ihren Erstverkaufstag am 19. November 1923. Also vier läge nach ihrer angeblichen Verwendung durch die Discont-Gesellschaft. »Eindeutig eine Fälschung« sagt Günter Künstler, aber das ist inzwischen sogar mir als Laien aufgefallen- Der Grund für diese Fälschung liegt auf der Hand: Inflationsmarken, so wird mir erklärt, seien nur ganz kurz im Umlauf gewesen. Deswegen wurde es nur ganz wenige Gestempelte geben. Deswegen wird für die gestempelten Marken ein Vielfaches davon gezahlt, was die ungestempelten wert sind.

»Ich find' dat herrlich, auf was die Fälscher alles kommen«, kichert Günter Künstler und erzähl! immer noch eine Geschichte, verrät immer noch einen Trick- Von nachgezahnten Briefmarken (»Fehler in der Zähnung bringen Wertverluste bis zu fünfzig Prozent«) und Nachgummierungen über Stempelfälschungen und Verfärbungen bis hin zu Ganzfälschungen reicht die Palette Und zwischendrin immer wieder die Hage über die Blauäugigkeit und Unbedarftheit der Sammler. Vielleicht sollte ich doch Briefmarkenfälscher werden, überlege ich mir.


Für C 64, MS-DOS and Schneider CPC ist das
Fälschungserkennungs-Programm bereits erhältlich.

»Ich habe noch so viele Ideen, ich will da noch einige Zeit weitermachen«

Die »Landesverbandsstelle Fälschungsbekämpfung« des Landesverbands Mittelrhein des Philatelistenbundes will Günter Künstler sobald wie möglich abgeben. Und ein Posten im Bundesverband hat ihn nie gereizt: »Das war' mir dann doch zuviel des Stresses gewesen.» Denn er hat noch viel vor. mit den Briefmarken, seinen Programmen, dem Computerladen.

Bisher ist rund die Hälfte der Informationen des 1200 Seiten dicken gelben Michel-Katalogs in »Falsch« eingebaut. Der Rest soll irgendwann einmal folgen. Als nächste Projekte stehen ein Prüfzeichenerkennungs-Programm, eine Liste sämtlicher deutscher Briefmarkenprüfer und eine Bewertungsliste für Briefmarken zweiter und dritter Wahl auf seiner Liste. »Ich habe noch so viele Ideen, ich will da noch einige Zeit weitermachen«, sagt er schelmisch und zeigt mir einige mikroverfilmte Briefmarken. Denn eine Dateiverwaltung von Bildern sämtlicher Briefmarken-Originale und -Fälschungen schwebt ihm auch noch vor Ich werde doch kein Bnefmar-kenfälscher, der Job ist mir zu gefährlich.

(jg) , HC Ausgabe 4 /Apni 1987

★ YEAR: 1987
 

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L'Amstrad CPC est une machine 8 bits à base d'un Z80 à 4MHz. Le premier de la gamme fut le CPC 464 en 1984, équipé d'un lecteur de cassettes intégré il se plaçait en concurrent  du Commodore C64 beaucoup plus compliqué à utiliser et plus cher. Ce fut un réel succès et sorti cette même années le CPC 664 équipé d'un lecteur de disquettes trois pouces intégré. Sa vie fut de courte durée puisqu'en 1985 il fut remplacé par le CPC 6128 qui était plus compact, plus soigné et surtout qui avait 128Ko de RAM au lieu de 64Ko.